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Dwight Howard: Ernst genug für den Titel

Sonntag, 20. Juni 2010

Dwight Howard hat Shaquille O’Neal abgelöst. Als bester Center und größter Spaßvogel der Liga. Doch während Shaq neben Entertainer-Qualitäten auch vier Titel vorweisen kann, fragt man sich bei Howard langsam, ob das “Kind im Mann” den sportlichen Erfolg blockiert …

Kann man einen Spieler ernst nehmen, der in einem Interview über seine Darmtätigkeit philosophiert? Der erst mit ernster Miene und dann einem vielsagenden Lächeln der Reporterin erklärt, dass der Gang zum weißen Porzellanthron zu seinem Pregame Ritual gehört? Weil erst das Schlechte aus dem Körper raus muss, damit der im Spiel Gutes abliefern kann. Einen Spieler, der beim Training leidenschaftlich gerne Körpergase ausscheidet und seinen Trainer damit zur Weißglut treibt? Bei 99 Prozent aller NBA-Spieler würde man über solche Marotten nur den Kopf schütteln und mit der Hand wahrscheinlich abwertende Wisch- oder Zeigefingerbewegungen im Gesichtsfeld vollführen. Bei Dwight Howard aber, dem Urheber dieser Aussage, dürfte die Reaktion eher in Richtung “typisch” oder “witziger Typ” tendieren. Weil man den Big Man der Orlando Magic längst kennt: als Scherzkeks, Ulknudel und Sprücheklopfer. Dabei ist der Mann eigentlich Basketball-Profi. Und genau diese Kombination könnte zum Problem werden.

Denn kann man einen Spieler wirklich ernst nehmen, dem auf einem Basketball-Court die ultimative Demütigung wiederfährt? Und der sich dafür auch noch freiwillig zur Verfügung gestellt hat? Als Howard während des Dunk-Contests im Februar beim All-Star-Weekend in Phoenix nicht nur bei in seinen eigenen Dunks, sondern auch als Accessoire für die Performance von Siam-Zwerg Nate Robinson auf dem Parkett auftauchte, hat er für nicht wenige Kritiker eine unsichtbare Linie überschritten. Natürlich war es witzig, dass er sich als zu überspringende Barrikade zur Verfügung gestellt hat. Aber er hat sich eben auch von einem Spieler überspringen lassen. Von einem, der in der regulären Saison sein Gegner ist. Der ihm zudem mit dem heiligsten Körperteil des Mannes den Kopf “gestreichelt” hat. Ein Akt, der in einder Macho-Welt der NBA eine psychologische Bedeutung haben könnte. Selbst wenn es nur dazu führen sollte, dass Gegenspieler mit ein klein bisschen weniger Ehrfurcht vor den Muskelmassen des Centers die Zone attackieren. Oder andersrum gefragt: Hätte sich ein Michael Jordan seinem Widersacher Dominique Wilkins beim Dunk-Contest zur Verfügung gestellt? Würde Kobe Bryant als schmückendes Beiwerk für eine LeBron-Dunk-Show antreten? Wohl kaum. Wäre auch völlig albern. Und noch eins: Kann man einen Spieler ernst nehmen, der sich öffentlich damit brüstet, großer Fan einer Zeichentrickfigur zu sein? Nicht Spiderman, oder Bart Simpson – nein, ein kleiner Fisch namens Nemo. “Ich glaube, dass eine Menge Spieler diesen Film guckt”, behauptet Howard. “Es will nur keiner zugeben.” Die werden sich auch vor so einer Aussage hüten.” Erfrischende Abwechslung Auch wenn Image nicht alles ist in dieser Liga, so spielt es doch eine wichtige Rolle. Wir reden hier nicht von der Außenwirkung. Der gemeine Fan wird Howard als erfrischende Abwechslung zum austauschbaren Spieler-Allerlei wahrnehmen. Und das ist auch gut so. Aber reden wir von sportlichen Zielen. Von der Tatsache, dass Dwight Howard einen Status erreicht hat, der ihn nicht nur als besten Center der stärksten Liga der Welt auszeichnet, sondern auf ein Superstar-Level hievt, bei dem die Gespräche zwangsläufig in Richtung Titelgewinn gehen. Howard muss diesen nächsten Schritt gehen. Aber reicht dafür sportliche Dominanz? Schon jetzt gibt es kaum einen Spieler, der sich physisch mit dem 2,11-Meter-Mann messen kann. Es braucht mehr. Man kann es Respekt nennen. Ehrfurcht. Oder Angst! Howard ist gerade dabei, dieses Charisma, diese Ausstrahlung einder zubüßen. Wer hat schon Respekt vor einem sportlichen Highflyer, der ständig grinst und für jeden ein freundliches Wort übrig hat, selbst wenn er kein Magie-Jersey trägt? Hat man vor Spiel sieben der Finals Angst vor einem Muskelmonster mit dem Gemüt eines Kleinkinds? Das sagt, dass es “mir am wichtigsten ist, jeden Abend rauszugehen und Spaß zu haben”? Niemand wird ihm deswegen den nötigen Ehrgeiz absprechen. Ohne diesen entwickelt sich niemand zum Leistungsträger eines NBA-Teams. Aber selbst Shaquille O’Neal, der Mann, mit dem der Magie-Center aufgrund des muskulösen Körpers und dem Hang zum kindlichen Rumalbern oft verglichen wird, war zu seinen dominantesten Zeiten auf dem Court stets ein absoluter Killer. Man erinnere sich an seine furchteinflößenden “Shaq-Fu-Moves”. In entscheidenden Momenten wich bei Shaq das breite Grinsen einem bösen Grollen. Isiah Thomas und Magie Johnson sind weitere Beispiele dieser Kategorie. Kein Gegenspieler hat deren freundlich lächelndes Antlitz je als fehlenden Killerinstinkt interpretiert. “Er lächelt dich an und versucht, dir dann das Herz rauszureißen”, hat Michael Jordan einmal gesagt. Über Magie Johnson. ImZusammenhang mit Dwight Howard fehlen solche Kommentare. Es sieht nicht so aus, als würde die versammelte NBA-Garde vor Howard zittern. Die Zahlen sprechen für sich Die andere Seite der Medaille sind die Zahlen. Darf manwirklich einen Spieler kritisieren, der die Liga in Rebounds (13,9) und Blocks (3,0) anführt? Die Rebounds waren schon lange Standard. Darauf musste er sich nicht mal so sehr konzentrieren. Das lief einfach so. Für einen Spieler seiner Größe und Athletik sicher nicht die schwerste Übung. Das eigentliche Kunststück besteht aber darin, ein überragender Rebounder UNDShot-Blocker zu sein. Spezialisten auf dem einen oder den anderen Gebiet gab und gibt es viele. Aber gleich in beiden Bereichen ist eher ungewöhnlich. Begründung: Konzentriert man sich auf den Block, verlässt man in 90 Prozent der Fälle die ideale Position für den Rebound. Gelingt der Block nicht, ist nämlich auch oft der Rebound futsch. Mit der Athletik eines Dwight Howards kann man die suboptimale Position zumindest ausgleichen. Wenn Einsatz und Einstellung stimmen. Dass die sich positiv verändert hat, zeigt eben dieser Schnitt, der mehr als einen satten Block über dem Karriere-Schnitt liegt.

Ich versuche inzwischen, einfach jeden Wurf zu blocken, selbst wenn es Goaltending sein sollte”, erklärt der 120-Kilo-Mann, der als fünfter Spieler in die Geschichte eingehen könnte, der die NBA in Blocks und Rebounds angeführt hat (siehe Kasten). Kann man einen Spieler und die Titelchancen eines Teams anzweifeln, das mit einer Bilanz von 74 Prozent zu den drei besten Teams der wiedererstarkten Eastern Conference gehört? Es ist kein großes Geheimnis, dass man in Orlando eine einfache Gleichung aufgestellt hat. Man nehme einen dominanten Big Man, der die meiste Zeit zwei Verteidiger auf sich zieht, umgebe ihn mit starken Dreierschützen und lasse es von Downtown regnen. Doch wer die Magic-Spiele verfolgt, muss erkennen, dass es bei Howard mit dem Passen aus dem Doppeln noch ein wenig hapert. Der mickrige Assist, den der Modellathlet pro Spiel einsammelt, untermauert das schwarz auf weiß. Howard ist jung genug, um diesen Aspekt des Spiels besser zu verstehen und zu nutzen. Und dann? Kann man einen Spieler unterschätzen, der über eine Physis verfügt, die in der Geschichte der NBA wahrscheinlich ihresgleichen sucht? Dabei geht es nicht mal um den massigen Bizeps, den sich der 23-Jährige in kürzester Zeit seiner Liga-Zugehörigkeit antrainiert hat, sondern um die athletischen Fähigkeiten. Auch wenn es eine reine Spaßveranstaltung ist, so haben die beiden Slam-Dunk-Contests, an denen Howard in den letzten zwei Jahren teilgenommen hat, Symbolkraft. Es kommt nicht von ungefähr, dass diese Veranstaltung eine von Guards und eleganten Forwards dominierte Show ist. Big Men haben immer wieder daran teilgenommen und immer wieder steif, unbeweglich und peinlich gewirkt – bis Dwight Howard kam! Egal ob legendärer Superman- ” Dunk, mit seitlichem Bounce vom Backboard oder auf erhöhtem Korb, Howards Dunks scheinen die Naturgesetze ebenso auszuhebeln wie die des Konkurrenten Nate Robinson. Wie kann man einen Spieler nicht ernst nehmen, der seine Position schon jetzt mit nur einem einzigen Move dominiert? Denn wenn wir ehrlich sind, dann läuft Dwight Howards Game noch immer unter der simplen Formel “Außer Dunks nichts gewesen”.

Kein Spieler rammt den Ball öfter durch den Ring als der Big Mander Magic. Und das bereits im vierten Jahr in Folge! Beim Break, nach Offensiv-Rebounds oder wenn ihm die Mitspieler den Ball in unmittelbarer Nähe auflegen. Und ist es kein Dunk, dann eben ein anderer Power-Move in Korbnähe, gerne garniert mit einem netten Spin Move. Klar, die Ansätze eines kleinen Hookshots sind erkennbar, aber das Ding erinnert eher an Robert Maras als an Kareem Abdul-Jabbar. Von einem Midrange-Jumper ganz zu schweigen. Für keinen Superstar der Liga werden so wenige Spielzüge gelaufen wie für Howard. Selbst wenn das doch der Fall sein sollte, sind es nicht selten Alley-Oop-Plays, die von der Athletik des Centers profitieren. Um zu unterstreichen, wie limitiert Howard offensiv ist, reicht eine einzige Statistik. Rund 64 NBA-Akteure nehmen pro Spiel mehr Würfe als der Magic-Center. Aber: Wie kann man einen Spieler nicht ernst nehmen, der sich nicht nur als jüngster Rebounding-Champ in den Geschichtsbüchern verewigt hat, sondern der selbst im fünften NBA-Jahr der jüngste Spieler seines Teams ist? Denn in jeglicher Hinsicht zeigt Howards Alter, dass er noch jede Menge Zeit und Potenzial hat. Für Entwicklung auf sportlicher wie auch persönlicher Ebene. Die sportliche Dominanz und der Status als bester Center, Rebounder und Shot-Blocker sowie athletischster Big Man der Liga lassen einen halt leicht vergessen, dass die aktuelle Saison Howards Rookie-Saison wäre, wenn er sich für eine vierjährige College-Karriere (wie Spurs-Forward Tim Duncan) entschieden hätte. Dazu kommt die alte Weisheit, dass Big Men länger brauchen, um ihr Potenzial auszuschöpfen, etwa bis zum 30. Lebensjahr. Dwight Howard bleiben also noch sieben Jahre, um seine Freiwurfschwäche (61 Prozent) abzulegen, sein Offensiv-Potenzial zu erweitern und das ewige Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Wenn das überhaupt nötig werden sollte. Denn wie kann man einen Spieler nicht ernst nehmen, der auch aus den härtesten Kämpfen in der Zone mit einem Lächeln herausgeht? “Ich erinnere mich an ein Spiel, bei dem ihn die Nuggets wirklich hart angingen”, erzählt Magic-Assistentcoach Patrick Ewing. “Und einer der Spieler kommentierte nur entnervt, dass diesem Howard mal jemand sagen muss, er solle endlich aufhören zu grinsen.” Es gibt nicht wenige, die glauben, dass ihm gar keine andere Wahl bleiben wird, wenn er Meister werden will. “Ich habe lange mit ihm gekämpft, ihm versucht zu erklären, dass er zu viel lächelt”, sagt Orlandos GM Otis Smith. “Aber ich habe erkannt, dass Dwight einfach anders ist. Er möchte ein Megastar sein und trotzdem ein normaler Mensch bleiben. Ich denke, das ist unmöglich.” Wir werden sehen …

NBA: Brandon Jennings – Talent ist nicht alles

Samstag, 22. Mai 2010

Heilsbringer oder verschenktes Talent? Netter Typ oder Troublemaker? Fakt ist: Milwaukees Rookie- Sensation Brandon Jennings erobert die Liga im Sturm. Doch welches ist sein wahres Gesicht?

Es ist nicht allzu lang her, da war das beliebteste Youtube-Video von Brandon Jennings ein Interview. Nun, eigentlich ist Interview das falsche Wort für die Unflätigkeiten und das Kauderwelsch, das der Rookie-Guard der Milwaukee Bucks in einem Telefonat mit seinem Kumpel, dem Rapper Joe Budden, von sich gab. Eine Respektlosigkeit gegenüber zukünftigen NBA-Kollegen jagte die nächste. Doch diese “Hommage” an die englische Sprache gerät immer mehr in Vergessenheit, denn dieser Brandon Jennings sorgt mittlerweile mit ganz anderen Dingen für Gesprächsstoff.

Vom ersten Tag an, als der 20-Jährige das Trikot der Bucks überstreifte, ließ er keinen Zweifel daran aufkommen, dass er ein überragendes Talent für das Spiel mit der orangefarbenen Kugel besitzt. Die nackten Zahlen schreien bereits nach wenigen Partien “Rookie of the Year”: 24,2 Punkte, 5,7 Assists und 4,3 Rebounds pro Partie. Damit gehört er schon nach wenigen Wochen zu den zehn besten Score rn der NBA! Dabei hat er im September erst seinen 20. Geburtstag gefeiert …

Im Vorfeld viele Zweifel

Jennings’ Blitzstart auf dem NBACourt kommt für viele Experten unerwartet. Wie auch für Brandon selbst. “Das ist schon überraschend”, erklärt der gebürtige Kalifornier. “Ich wollte eigentlich erst mal ein Gefühl für die Liga entwickeln, doch es klappt schon sehr gut.” Das kann man wohl sagen. Brandon Jennings war nach einer glorreichen Highschool-Karriere an der Oak Hili Academy zur Saison 2008/09 für ein Jahr zu Lottomatica Rom in die italienische Liga gewechselt. Die Saison in Übersee war für ihn allerdings geprägt von Heimweh, mäßigen Spielzeiten und unkonstanten Leistungen. Seine Statistiken waren ebenfalls nicht berauschend und rissen keinen NBA-Offiziellen vom Sitz. Die Zweifel an dem wahren Talent des einstigen Highschool-Megastars ließen nicht lange auf sich warten. Diese Zweifel an seiner sportlichen Qualität waren natürlich nicht der einzige Grund, warum viele NBA-Obere Vorbehalte gegenüber Jennings hatten und warum der einst als Top-Drei-Pick gehandelte Guard “erst” an Nummer zehn von Milwaukee gedraftet wurde. Stichwort Youtube-Video: Die Beleidigungen im Gespräch mit Rapper Joe Budden waren nicht der erste PRAusrutscher, denn der nur 1,85 Meter und 77 Kilo schwere Bucks-Neuling war schon etliche Male vor dem Mikrofon unangenehm aufgefallen. Schauplatz Sacramento, wenige Wochen vor dem Draft: Brandon Jennings und Jonny Flynn, wie Brandon vor dem Drall eines der heißesten Point-Guard-Talente, sitzen nebeneinander bei einer Pressekonferenz, um Fragen zu ihrem gemeinsamen Workout und zum anstehenden Draft-Prozess zu beantworten. Es dauerte nicht lange, da redete sich Brandon in einen Rausch und lästerte ordentlich über Ricky Rubio ab. Er bezeichnete den spanischen Euro-Star als “All Hype”. Mit anderen Worten: Die Presse mache viel Lärm um den Youngster, und es stecke nicht wirklich viel dahinter. Da saß er nun, dieser schmächtige College-Verweigerer, der in seiner Basketball-Laufbahn noch nichts wirklich Bedeutendes geleistet hatte, und hatte nichts Besseres zu tun, als verbale Breitseiten in Richtung anderer zukünftiger NBASpieler zu verteilen. Jennings persönliche Meinung in allen Ehren, doch solche Worte sind nicht gerade das, was Scouts von einem Jungspund hören wollen. Denn Charakter und Bescheidenheit abseits vom Parkett sind in der heutigen Zeit mindestens genauso gefragt wie das Dribbling oder der Jumper auf dem Hardwood. Die Worte “arrogant” und “überheblich” fanden schnell ihren Weg in die Notizblöcke der Verantwortlichen, im Internet jagte ein kritischer Blog-Eintrag den nächsten.

Positive Schlagzeilen vor dem Draft sehen anders aus. Die Tatsache, dass er vor seinem Italien-Abstecher mehrmals durch die College-Aufnahme-prüfung rasselte, lässt sich ebenfalls eher als ein Kontra für die Zukunft eines angehenden Profi-Point-Guards verbuchen. Klar, das ging schon anderen NBA-Größen wie Kevin Garnett vor ihm so, doch es ist wiederum auch nicht das, was man sich unbedingt auf die Fahnen schreiben möchte. Doch diese Dinge gehören der Vergangenheit an. Die unüberlegten Interviews, die Zweifel, die Fragezeichen. In der Gegenwart gewinnt Brandon Jennings mit den Milwaukee Bucks Spiele, mehr noch, er gewinnt sie für sein sehr schwach besetztes Team. Nach dem Ausfall von Shooting Guard Michael Redd hat Jennings alle Fäden in der Hand und überrascht nicht nur die Skeptiker von einst. “Er hat ein immenses Talent”, freut sich Bucks-Coach Scott Skiles, dem viele Probleme mit einem vermeintlichen Troublemaker wie Jennings vorausgesagt hatten. “Klar wird er als Rookie noch seine Probleme haben, doch bis jetzt kann man sehr glücklich über seine Entwicklung sein.”

Glücklich? Wohl eher überglücklich! Es ist nämlich eine Entwicklung, die ihr Ende eventuell erst in den obersten Rängen der NBA-Elite findet. Manche vergleichen ihn sogar schon jetzt mit dem jungen Allen Iverson, der Mitte der Neunziger für ähnlich viel Wirbel gesorgt hatte (sportlich!). “Er ist sogar ein besserer Schütze als A.I.”, so ein anonymer NBA-Scout über den Rookie, der bisher 47,5 Prozent seiner Würfe von der Dreierlinie trifft. “Er spielt mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und hat ein gutes Wurfgefühl.” Dazu ist der Linkshänder ein überragender Eins-gegen-eins-Spieler mit einem natürlichen Gefühl für Spielsituationen und einer klasse Athletik. Mit diesen Attributen ist er wie geschaffen für das offene und individuelle Spiel in der NBA. Körperliche Defizite, Verteidigungsschwächen sowie mangelnde Erfahrung und Point-Guard-Intuition können ohne Probleme mit der Zeit behoben werden.

Die 55-Punkte-Show

Den wohl beeindruckendsten Beweis für seine NBA-Tauglichkeit und sein immenses Potenzial lieferte Jennings in seiner gerade mal siebten NBA-Partie, einem Heimspiel gegen die Golden State Warriors. Nach der Schlusssirene schimmerte eine leuchtende 55 auf Brandon Jennings’ Punktekonto und riss die Bucks-Fans im Bradley Center zu minutenlangen Ovationen hin. Der Youngster traf 21 seiner 34 Würfe, sieben von acht Dreiern und führte sein Team obendrein noch zu einem dramatischen 129:125-Sieg gegen Don Nelsons High-Speed-Truppe. Kein Wunder, dass eben jener Coach Nelson nach dem Spiel hin und weg war von der Performance des Bucks-Spielmachers. “Meine Güte, ich glaube, das war die beste Rookie-Performance, die ich in meinen 37 Jahren in dieser Liga gesehen habe”, schwärmte Nelson in Superlativen von Jennings, der seine 55 Punkte erst ab dem zweiten Viertel erzielte. “Wir haben alles gegen ihn versucht, aber er hatte einfach einen Sahnetag.”

Das sind die Worte eines Coaches, dessen Team in einem Viertel weniger Punkte gemacht hat als ein einziger Spieler des Gegners. Denn Jennings legte allein im dritten Spielabschnitt 29 Punkte aufs Parkett, die gesamte Warriors-Mannschaft kam im selben Zeitraum lediglich auf 26 Zähler. Egal aus welchem Blickwinkel man es betrachtet, Jennings’ Show in diesem Spiel war schon fast legendär (siehe Kasten). Man sah keinen 20-Jährigen auf dem Parkett, nein, die Nummer drei der Milwaukee Bucks spielte wie ein echter NBA-Superstar.

Er war “in The Zone”, in diesem magischen Zustand, den nur ganz wenige Spieler auf der Welt erreichen können. Typen wie Kobe Bryant, ein LeBron James oder eben vor ein paar Jahren auch Allen Iverson.

Für seinen Trainer Scott Skiles war jedoch etwas anderes ganz entscheidend: “Mich freut vor allem, dass er das Ganze innerhalb unseres vorgegebenen Systems vollbracht hat und keinen Moment eigensinnig wurde. Er hatte die ganze Zeit die Mannschaft im Auge und wollte das Team zum Sieg führen.” Beim knappen 103:98-Sieg in Memphis ein ähnliches Bild: Da erzielte der freche Rookie 24 seiner 26 Punkte in der zweiten Halbzeit.
Bei all der Offensivlust hat Jennings das Gewinnen nicht vergessen. Die Bucks siegten in acht ihrer ersten elf Partien.Wenn man auch noch bedenkt, dass neben ihm Charlie Bell, Ersan lIyasova, Dan Gadzuric und Carlos Delfino in der Starting Five stehen, grenz1das schon fast an ein Wunder. Jennings weiß: Punkte-Rekorde, Statistiken oder andere individuelle Errungenschaften zählen nicht in der NBA, wenn man ein wirklich großer Spieler werden will.

“Ich habe in Italien viel über Team-Basketball gelernt und was es heißt, als Mannschaft erfolgreich zu sein.” Mehr noch, Jennings sieht gerade in seiner Zeit in Italien den Hauptgrund für seine auf allen Ebenen reibungsreibungslose Eingewöhnung bei den Bucks. “Ich habe dort zwar nicht viel gespielt, doch im Training habe ich sehr viel mitgenommen”, erklärt “Young Money”, dessen Spitzname als Tattoo seinen gesamten Rücken ziert. “Die Zeit in Europa hat mich härter und bescheidener gemacht. Mit diesem Wissen möchte ich alles tun, damit wir die Playoffs erreichen.”

Milwaukees Hoffnungsträger

Klingt gar nicht nach dem Youtube-Brandon-Jennings, nach dem egomanischen unreifen Jüngling, der andere Spieler beleidigt. Auch in vielen anderen Interviews beteuert er heute, wie froh er über die Chance ist, in der NBA zu spielen, wie gut es ihm im beschaulichen Milwaukee gefällt und dass er im Grunde ein religiöser und ruhiger Familienmensch ist. “Ich liebe die Stadt, es ist sehr ruhig hier”, beschreibt Brandon seine ersten Erfahrungen mit der Metropole in Wisconsin. “Milwaukee war bis jetzt ohne Zweifel sehr gut zu mir.”

Und Brandon war bis jetzt sehr gut zu Milwaukee. Wir sprechen über eine Stadt, die seit Ewigkeiten in keinem Sport mehr einen großen Titel gewonnen hat. Obwohl es eine reiche Basketball-Tradition gibt, liegen die Tage der NBA-Legenden Lew A1cindor (aka Kareem Abdul-Jabbar) und Oscar Robertson und ihrer ruhmreichen Bucks-Teams weit zurück. Die Fans verzehren sich nach einem Hoffnungsträger einem Star, der sie wieder in die Elite der NBA zurückführt. Spieler wie Glenn Robinson oder Ray Allen scheiterten in den vergangenen Jahren an dieser Aufgabe, nun liegt es an Brandon Jennings, die Hoffnungen der Bucks-Fans zu erfüllen. Doch welches ist nun das wahre Gesicht des Brandon Jennings? Ist er wirklich ein “Franchise-Player”? Oder wird ihm sein “gesundes Selbstbewusstsein” irgendwann ein Bein stellen, wie es bei Allen Iverson zu beobachten ist?

Am Ende gibt es nur einen, der diese Fragen beantworten kann: Brandon Jennings selbst. Sein Talent auf dem Court steht außer Frage, doch das war schon bei vielen anderen Newcomern vor ihm so, siehe Steve Francis oder Stephon Marbury. Auch sie waren einst gefeierte Jungprofis. Trotz vermeintlich guter Karrierestatistiken gelten sie heute als Versager. Doch so weit wollen wir noch nicht gehen. Genießen wir bis dahin die schöne Zeit mit Brandon Jennings.

NBA: Amare Stoudemire: Den Durchblick behalten

Mittwoch, 19. Mai 2010

Die Phoenix Suns können es noch! Das liegt nicht nur an Ex-MVP Steve Nash sondern auch an Amare Stoudemire, der nach überstandener Augenverletzung und etlichen Trade-Gerüchten immer noch die Fans verzückt

Der kleine Santos Medina trifft zum ersten Mal in seinem Leben einen Riesen. Doch der Fünfjährige fürchtet sich nicht vor dem 2,OB-Meter-Mann.Im Gegenteil: Als der Gigant seine Pranken auf Santos’ Schultern legt, grinst der Grundschüler bis über beide Ohren. Er ist mächtig stolz auf den Besucher seiner Grundschule. Es ist nämlich kein Geringererals Amare Stoudemire,Star der Phoenix Suns. Der Big Man verschenkt Rucksäcke an die insgesamt 300 Kids und hält einen Vortrag zum Thema Bildung. Doch der All Star belässt es nicht bei Weisheiten wie “Lesen, Schreiben und Rechnensind eure Schlüssel zum Erfolg im Leben”. Er erzählt den Kids ganz offen, dass die Saison 2009/10 seine letzte in Arizona sein könnte: “Wer weiß? Vielleicht ist dies der Anfang meiner Abschiedstournee.” Plötzlichhängt eine dunkle, unheimliche Wolke des Erwachsenseins über den kleinen, unschuldigen Köpfen. “Hey Kids! Schreibt den Suns schnell einen Brief, dass sie Amare behalten sollen”, sagt ein anderer Gast. Er will die Wolke schnell wegschieben. “Benutzt Wachsmaler oder was ihr möchtet. Wir geben das dann an den Club weiter.” Bunte Ranzen. Farbstifte. Fröhliche Kinder.Schöne Bilder, die Stoudemire im Frühling fast für immer verloren hätte. Zumindest auf seinem rechten Auge: Der Superstar wäre nämlich beinahe rechts erblindet, es drohte sein Karriere-Ende!

Riskante Notoperation

Das Unglück passiert am 1B. Februar 2009. DieSuns sind in LA. zu Gast und überrennen die Clippers erwartungsgemäß mit 142:119. Star des Abends ist mit 42 Zählern und elf Rebounds … Amare Stoudemire. Ausgerechnet er! Denn wenige Tage zuvor gilt sein Abgang per Trade als sicher. Doch die Suns halten an ihrem Draft-Pick von 2002 fest.

Dann der Schock: Stoudemire, der im Spiel einen Finger ins rechte Auge bekommt und die Partie trotzdem erfolgreich beende!, hat nach dem Spiel Schmerzen. Die unangenehme, aber alltägliche Verletzung ist wohl nichts Schlimmes- denken alle. Einähnlicher Unfall Stoudemires im Trainingscamp 200B verlief glimpflich – doch dieser nicht. Der Star muss unters Messer.Es geht um sein Augenlicht! “Amare hat eine erhebliche Ablösung seiner Netzhaut und Blut im rechten Auge”, erklärt sein Arzt . “Es ist ein Notfall.”

Das menschliche Auge funktioniert wie eine Kamera: Vorne lässt eine Linse Licht hinein, das hinten auf einer Nervenschicht (Netzhaut) abgebildet wird. Von dort werden dann die Bilder ins Gehirn transportiert. Eine Verletzung an dieser Stelle ist schwer zu behandeln, die Operation endet nur in 50 Prozent der Fälle erfolgreich. Bei Stoudemire geht zum Glück alles gut, trotzdem muss er im Juli eine Folge-OP über sich ergehen lassen. Der Doktor entfernt Flüssigkeit aus dem Auge und setzt ein Gasbläschen ein, um die Netzhaut zurück an ihren Platz zu drücken. Wer das bereits für heftig hält, hat die Anweisungen des Doktors noch nicht gelesen: zehn Tage am Stück mindestens 22 Stunden am Tag auf dem Bauch liegen! Stoudemire zieht für diese schwere Zeit extra in ein Hotel,um nichts zu riskieren.

“Es war die Hölle. Erst die Angst um mein Auge. Dann die OP und das ewige Herumliegen”, erinnert sich Stoudemire. “Aber ich musste mich am Riemenreißen. Für mein Auge. Für mein Team.Für meine Zukunft.” Selbst nach der Tortur auf seiner “Folterbank” muss der Mann mit der Trikotnummer eins cool bleiben. Denn der Blutdruck darf nicht steigen, sonst beansprucht er sein Auge zusätzlich. Heißt: kein Basketball. Kein Krafttraining. Keine schnellen (Kopf-)Bewegungen. Keine Blutstöße in den Kopf. Bitter: Selbst beim Essen, Schlafen und Toilettengang ist er gehandicapt. Zu den physischen Problemen kommt psychischer Stress. Am Draft-Tag, keine drei Wochen nach der zweiten Augenoperation, steht der potenzielle Franchise-Player vor dem Aus in Phoenix. Auch weil sich die Suns weigern, über eine Vertragsverlängerung zu sprechen.

“Wir werden diesen finanziellen Schritt nicht machen, bevor wir Amare wieder in Action gesehen haben”, sagt General Manager Steve Kerr ganz kühl. “Wir hoffen und erwarten,dass er wieder fit wird. Aber wir dürfen nichts überstürzen.” Die Konsequenz: Amares Vertrag läuft im Sommer 2010 aus. Dann kann er eine Vertragsoption ziehen und für ein Jahr sowie 17,7 Millionen Dollar verlängern. Oder gehen …

Doch damit nicht genug. Denn vor dem Draft taucht plötzlich wieder ein hässliches Trade-Gerücht auf. Es gilt sogar als sicher, dass Stoudemire nach Golden State wechselt. Doch weil College-Star Stephen Curry den Warriors in den Schoß fällt, wird der Trade in die Tonne gekloppt. Aber auch ohne abgeschoben zu werden, ist es für Stoudemire ein Horrorsommer!

Comeback-King

Doch der Pechvogel fightet weiter. Schafft das Comeback. Und hilft den Suns mit elf Siegen in 14 Partien aus den Startlöchern. Das siegreichste Team der Liga erzielt auch die meisten Zähler im Schnitt (110,4) bei der besten Feld- (49,2 Prozent) und Dreierquote (44,4) der NBA.Wow! Mittendrin ist Suns- Topscorer Amare Stoudemire mit neuer Schutzbrille und 19,9 Punkten pro Partie.

Das schnelle Spiel der Suns unter Headcoach Alvin Gentry, das sich am Turbo-Basketball seines Vor-Vorgängers Mike D’Antoni orientiert, macht die Suns wieder zum heißen Playoff-Team. “Es macht wieder Spaß”, freut sich Stoudemire. “Wir sind eine eingespielte Truppe mit tollen Spielern. Wir sind locker und reißenWitze,erledigen aber auch unsere Arbeit.” Doch der Gedanke, dass es seine Abschiedssaison sein könnte, lässt ihn nicht los. “Im Angesicht meines möglichen Karriere-Endes habe ich mich gefragt: Was ist eigentlich dein Vermächtnis?”, denkt Stoudemire nach.

“Hall-of-Famer? NBA-Meister? Das, was ich sein wollte? Nichts davon.Also setze ich jetzt alles daran, an meinem Denkmalzu meißeln.” Gut für die Suns, denn die haben einen zu 100 Prozent motivierten Stoudemire im Team und gewinnen ein Spiel nach dem anderen. So lange kann man die Trade-Gerüchte doch gern beiseiteschieben.