Dwight Howard hat Shaquille O’Neal abgelöst. Als bester Center und größter Spaßvogel der Liga. Doch während Shaq neben Entertainer-Qualitäten auch vier Titel vorweisen kann, fragt man sich bei Howard langsam, ob das “Kind im Mann” den sportlichen Erfolg blockiert …
Kann man einen Spieler ernst nehmen, der in einem Interview über seine Darmtätigkeit philosophiert? Der erst mit ernster Miene und dann einem vielsagenden Lächeln der Reporterin erklärt, dass der Gang zum weißen Porzellanthron zu seinem Pregame Ritual gehört? Weil erst das Schlechte aus dem Körper raus muss, damit der im Spiel Gutes abliefern kann. Einen Spieler, der beim Training leidenschaftlich gerne Körpergase ausscheidet und seinen Trainer damit zur Weißglut treibt? Bei 99 Prozent aller NBA-Spieler würde man über solche Marotten nur den Kopf schütteln und mit der Hand wahrscheinlich abwertende Wisch- oder Zeigefingerbewegungen im Gesichtsfeld vollführen. Bei Dwight Howard aber, dem Urheber dieser Aussage, dürfte die Reaktion eher in Richtung “typisch” oder “witziger Typ” tendieren. Weil man den Big Man der Orlando Magic längst kennt: als Scherzkeks, Ulknudel und Sprücheklopfer. Dabei ist der Mann eigentlich Basketball-Profi. Und genau diese Kombination könnte zum Problem werden.
Denn kann man einen Spieler wirklich ernst nehmen, dem auf einem Basketball-Court die ultimative Demütigung wiederfährt? Und der sich dafür auch noch freiwillig zur Verfügung gestellt hat? Als Howard während des Dunk-Contests im Februar beim All-Star-Weekend in Phoenix nicht nur bei in seinen eigenen Dunks, sondern auch als Accessoire für die Performance von Siam-Zwerg Nate Robinson auf dem Parkett auftauchte, hat er für nicht wenige Kritiker eine unsichtbare Linie überschritten. Natürlich war es witzig, dass er sich als zu überspringende Barrikade zur Verfügung gestellt hat. Aber er hat sich eben auch von einem Spieler überspringen lassen. Von einem, der in der regulären Saison sein Gegner ist. Der ihm zudem mit dem heiligsten Körperteil des Mannes den Kopf “gestreichelt” hat. Ein Akt, der in einder Macho-Welt der NBA eine psychologische Bedeutung haben könnte. Selbst wenn es nur dazu führen sollte, dass Gegenspieler mit ein klein bisschen weniger Ehrfurcht vor den Muskelmassen des Centers die Zone attackieren. Oder andersrum gefragt: Hätte sich ein Michael Jordan seinem Widersacher Dominique Wilkins beim Dunk-Contest zur Verfügung gestellt? Würde Kobe Bryant als schmückendes Beiwerk für eine LeBron-Dunk-Show antreten? Wohl kaum. Wäre auch völlig albern. Und noch eins: Kann man einen Spieler ernst nehmen, der sich öffentlich damit brüstet, großer Fan einer Zeichentrickfigur zu sein? Nicht Spiderman, oder Bart Simpson – nein, ein kleiner Fisch namens Nemo. “Ich glaube, dass eine Menge Spieler diesen Film guckt”, behauptet Howard. “Es will nur keiner zugeben.” Die werden sich auch vor so einer Aussage hüten.” Erfrischende Abwechslung Auch wenn Image nicht alles ist in dieser Liga, so spielt es doch eine wichtige Rolle. Wir reden hier nicht von der Außenwirkung. Der gemeine Fan wird Howard als erfrischende Abwechslung zum austauschbaren Spieler-Allerlei wahrnehmen. Und das ist auch gut so. Aber reden wir von sportlichen Zielen. Von der Tatsache, dass Dwight Howard einen Status erreicht hat, der ihn nicht nur als besten Center der stärksten Liga der Welt auszeichnet, sondern auf ein Superstar-Level hievt, bei dem die Gespräche zwangsläufig in Richtung Titelgewinn gehen. Howard muss diesen nächsten Schritt gehen. Aber reicht dafür sportliche Dominanz? Schon jetzt gibt es kaum einen Spieler, der sich physisch mit dem 2,11-Meter-Mann messen kann. Es braucht mehr. Man kann es Respekt nennen. Ehrfurcht. Oder Angst! Howard ist gerade dabei, dieses Charisma, diese Ausstrahlung einder zubüßen. Wer hat schon Respekt vor einem sportlichen Highflyer, der ständig grinst und für jeden ein freundliches Wort übrig hat, selbst wenn er kein Magie-Jersey trägt? Hat man vor Spiel sieben der Finals Angst vor einem Muskelmonster mit dem Gemüt eines Kleinkinds? Das sagt, dass es “mir am wichtigsten ist, jeden Abend rauszugehen und Spaß zu haben”? Niemand wird ihm deswegen den nötigen Ehrgeiz absprechen. Ohne diesen entwickelt sich niemand zum Leistungsträger eines NBA-Teams. Aber selbst Shaquille O’Neal, der Mann, mit dem der Magie-Center aufgrund des muskulösen Körpers und dem Hang zum kindlichen Rumalbern oft verglichen wird, war zu seinen dominantesten Zeiten auf dem Court stets ein absoluter Killer. Man erinnere sich an seine furchteinflößenden “Shaq-Fu-Moves”. In entscheidenden Momenten wich bei Shaq das breite Grinsen einem bösen Grollen. Isiah Thomas und Magie Johnson sind weitere Beispiele dieser Kategorie. Kein Gegenspieler hat deren freundlich lächelndes Antlitz je als fehlenden Killerinstinkt interpretiert. “Er lächelt dich an und versucht, dir dann das Herz rauszureißen”, hat Michael Jordan einmal gesagt. Über Magie Johnson. ImZusammenhang mit Dwight Howard fehlen solche Kommentare. Es sieht nicht so aus, als würde die versammelte NBA-Garde vor Howard zittern. Die Zahlen sprechen für sich Die andere Seite der Medaille sind die Zahlen. Darf manwirklich einen Spieler kritisieren, der die Liga in Rebounds (13,9) und Blocks (3,0) anführt? Die Rebounds waren schon lange Standard. Darauf musste er sich nicht mal so sehr konzentrieren. Das lief einfach so. Für einen Spieler seiner Größe und Athletik sicher nicht die schwerste Übung. Das eigentliche Kunststück besteht aber darin, ein überragender Rebounder UNDShot-Blocker zu sein. Spezialisten auf dem einen oder den anderen Gebiet gab und gibt es viele. Aber gleich in beiden Bereichen ist eher ungewöhnlich. Begründung: Konzentriert man sich auf den Block, verlässt man in 90 Prozent der Fälle die ideale Position für den Rebound. Gelingt der Block nicht, ist nämlich auch oft der Rebound futsch. Mit der Athletik eines Dwight Howards kann man die suboptimale Position zumindest ausgleichen. Wenn Einsatz und Einstellung stimmen. Dass die sich positiv verändert hat, zeigt eben dieser Schnitt, der mehr als einen satten Block über dem Karriere-Schnitt liegt.
Ich versuche inzwischen, einfach jeden Wurf zu blocken, selbst wenn es Goaltending sein sollte”, erklärt der 120-Kilo-Mann, der als fünfter Spieler in die Geschichte eingehen könnte, der die NBA in Blocks und Rebounds angeführt hat (siehe Kasten). Kann man einen Spieler und die Titelchancen eines Teams anzweifeln, das mit einer Bilanz von 74 Prozent zu den drei besten Teams der wiedererstarkten Eastern Conference gehört? Es ist kein großes Geheimnis, dass man in Orlando eine einfache Gleichung aufgestellt hat. Man nehme einen dominanten Big Man, der die meiste Zeit zwei Verteidiger auf sich zieht, umgebe ihn mit starken Dreierschützen und lasse es von Downtown regnen. Doch wer die Magic-Spiele verfolgt, muss erkennen, dass es bei Howard mit dem Passen aus dem Doppeln noch ein wenig hapert. Der mickrige Assist, den der Modellathlet pro Spiel einsammelt, untermauert das schwarz auf weiß. Howard ist jung genug, um diesen Aspekt des Spiels besser zu verstehen und zu nutzen. Und dann? Kann man einen Spieler unterschätzen, der über eine Physis verfügt, die in der Geschichte der NBA wahrscheinlich ihresgleichen sucht? Dabei geht es nicht mal um den massigen Bizeps, den sich der 23-Jährige in kürzester Zeit seiner Liga-Zugehörigkeit antrainiert hat, sondern um die athletischen Fähigkeiten. Auch wenn es eine reine Spaßveranstaltung ist, so haben die beiden Slam-Dunk-Contests, an denen Howard in den letzten zwei Jahren teilgenommen hat, Symbolkraft. Es kommt nicht von ungefähr, dass diese Veranstaltung eine von Guards und eleganten Forwards dominierte Show ist. Big Men haben immer wieder daran teilgenommen und immer wieder steif, unbeweglich und peinlich gewirkt – bis Dwight Howard kam! Egal ob legendärer Superman- ” Dunk, mit seitlichem Bounce vom Backboard oder auf erhöhtem Korb, Howards Dunks scheinen die Naturgesetze ebenso auszuhebeln wie die des Konkurrenten Nate Robinson. Wie kann man einen Spieler nicht ernst nehmen, der seine Position schon jetzt mit nur einem einzigen Move dominiert? Denn wenn wir ehrlich sind, dann läuft Dwight Howards Game noch immer unter der simplen Formel “Außer Dunks nichts gewesen”.
Kein Spieler rammt den Ball öfter durch den Ring als der Big Mander Magic. Und das bereits im vierten Jahr in Folge! Beim Break, nach Offensiv-Rebounds oder wenn ihm die Mitspieler den Ball in unmittelbarer Nähe auflegen. Und ist es kein Dunk, dann eben ein anderer Power-Move in Korbnähe, gerne garniert mit einem netten Spin Move. Klar, die Ansätze eines kleinen Hookshots sind erkennbar, aber das Ding erinnert eher an Robert Maras als an Kareem Abdul-Jabbar. Von einem Midrange-Jumper ganz zu schweigen. Für keinen Superstar der Liga werden so wenige Spielzüge gelaufen wie für Howard. Selbst wenn das doch der Fall sein sollte, sind es nicht selten Alley-Oop-Plays, die von der Athletik des Centers profitieren. Um zu unterstreichen, wie limitiert Howard offensiv ist, reicht eine einzige Statistik. Rund 64 NBA-Akteure nehmen pro Spiel mehr Würfe als der Magic-Center. Aber: Wie kann man einen Spieler nicht ernst nehmen, der sich nicht nur als jüngster Rebounding-Champ in den Geschichtsbüchern verewigt hat, sondern der selbst im fünften NBA-Jahr der jüngste Spieler seines Teams ist? Denn in jeglicher Hinsicht zeigt Howards Alter, dass er noch jede Menge Zeit und Potenzial hat. Für Entwicklung auf sportlicher wie auch persönlicher Ebene. Die sportliche Dominanz und der Status als bester Center, Rebounder und Shot-Blocker sowie athletischster Big Man der Liga lassen einen halt leicht vergessen, dass die aktuelle Saison Howards Rookie-Saison wäre, wenn er sich für eine vierjährige College-Karriere (wie Spurs-Forward Tim Duncan) entschieden hätte. Dazu kommt die alte Weisheit, dass Big Men länger brauchen, um ihr Potenzial auszuschöpfen, etwa bis zum 30. Lebensjahr. Dwight Howard bleiben also noch sieben Jahre, um seine Freiwurfschwäche (61 Prozent) abzulegen, sein Offensiv-Potenzial zu erweitern und das ewige Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Wenn das überhaupt nötig werden sollte. Denn wie kann man einen Spieler nicht ernst nehmen, der auch aus den härtesten Kämpfen in der Zone mit einem Lächeln herausgeht? “Ich erinnere mich an ein Spiel, bei dem ihn die Nuggets wirklich hart angingen”, erzählt Magic-Assistentcoach Patrick Ewing. “Und einer der Spieler kommentierte nur entnervt, dass diesem Howard mal jemand sagen muss, er solle endlich aufhören zu grinsen.” Es gibt nicht wenige, die glauben, dass ihm gar keine andere Wahl bleiben wird, wenn er Meister werden will. “Ich habe lange mit ihm gekämpft, ihm versucht zu erklären, dass er zu viel lächelt”, sagt Orlandos GM Otis Smith. “Aber ich habe erkannt, dass Dwight einfach anders ist. Er möchte ein Megastar sein und trotzdem ein normaler Mensch bleiben. Ich denke, das ist unmöglich.” Wir werden sehen …