Wer sich alte Bilder von Dennis Rodmanan schaut, der wird sich wahrscheinlich verwundert die Augen reiben: Ist dieser brave Mann mit den Segelohren (Bild links) wirklich derselbe Typ, der wenig später mit Tattoos, Piercings und gefärbten Haaren die Öffentlichkeit schockte? Der als die größte Bedrohung der NBA galt? Und: Was um alles in der Welt ist bloß mit ihm passiert? Was hat den Forward, der in seinen ersten Jahren nur auf dem Court glänzte, zu einem der größten Spektakel der NBA Geschichte werden lassen?
Eine Eindeutige Antwort auf diese Fragen gibt es nicht. Nur eins ist klar: Im Sommer 1993 hat sich Rodman, der damals schon 32 Jahre alt war, komplett neu erfunden. Hat sein biederes Image abgelegt und sich neben seinen basketballerischen Fähigkeiten fast nur noch um Show und Skandale gekümmert. Und sich damit zu einer Persönlichkeit entwickelt, an der sich die Geister scheiden. Für die einen ist der fünfmalige Champ und siebenfache Rebound-König einer der besten Spieler aller Zeiten. Für die anderen der krasseste Akteur, der je das Parkett betreten hat. So oder so: Der Mann mit den bunten Haaren ist zum Mythos geworden – auch zehn Jahre nach seinem letzten groBen Erfolg. “Dennis war vor allem mit seinem Image beschäftigt”, erklärt Michael Jordan, der mit Rodman zwischen 1995 und 1998 bei den Bulls spielte. “Seine Qualitäten waren unbestritten. Aber es war oft schwer, mit ihm zusammenzuspielen. Manchmal dachte ich: Eigentlich gehört der Typ eingesperrt.” Als Rodman 1986 in die NBA kommt, ist das noch anders. Der dürre Athlet, der von den Pistons erst an Position 27 gedraftet wird, ist alles andere als ein Lautsprecher. Im Gegenteil: Er gibt sich schüchtern, zurückhaltend und zeigt sich nur auf dem Parkett bei seiner Defense feurig. Schritt für Schritt wird er zum Leistungsträger.
1989 und 1990 gewinnt er mit den Pistons den Titel, wird zudem All Star (1990, 1992) und Defensive-Player of the Year (1990,1991). In der Saison 1991/92 schnappt er sich unglaubliche 18,7 Rebounds pro Partie – und das mit “nur” 2,03 Meter Körpergröße.
Von der Polizei geweckt
Doch dann ändert sich plötzlich alles.Einerseits, weil sich der schüchterne Mann, der als Kind ohne Vater aufgewachsen war, nach mehr Anerkennung sehnt. Andererseits, weil für ihn wichtige Eckpfeiler in seinem Leben wegbrechen.
Zunächst tritt im Mai 1992 Chuck Daily, so etwas wie ein Ersatzvater, als Pistonscoach zurück. Dann lässt sich seine Frau Annie Bakes, mit der er fünf Jahre lang leiiert war, von ihm scheiden.
Das ist zu viel für den sensiblen Rodman. Im Mai 1993 will der damals 32-Jährige alles hinter sich lassen: Mit einem geladenen Gewehr parkt er vor der Pistons-Halle. Doch anstatt sich das Leben zu nehmen, weckt die Polizei am nächsten Morgen einen schlafenden und komplett veränderten Rodman. “In dieser Nacht habe ich beschlossen, dass ich etwas von mir töten muss”, schreibt Rodman in seiner Biographie “Bad as I wanna be”. Aber ich wollte mich nicht selbst umbringen, sondern nur den Dennis Rodman zur Seite räumen, der sich selbst im Weg steht. Ich habe die Person getötet, die ich nicht sein wollte. Ich habe beschlossen, nur noch das zu tun, was ich wirklich will.”
Von einem Tag auf den anderen vollzieht Rodman einen radikalen Kurswechsel. Er wechselt sein Outfit, seine Haarfarbe, seinen Style und vor allem sein Verhalten. Schrittweise mutiert der brave Forward zum unzähmbaren Bad Boy. Die Folge: Affären und Aussetzer.
Nachdem Rodman 1993 zu den Spurs gewechselt ist, kann ihn nichts und niemand mehr unter Kontrolle halten. Er legt sich mit Gegenspielern, Teamkollegen und Schiedsrichtern an und wird mehrmals gesperrt. Neben seiner schrillen Haarfarbe, die er ständig wechselte und seinen Tattoos sorgt eine heiße Affäre mit Pop-Ikone Madonna für Mega-Schlagzeilen. “Dennis liebt es, die Leute zu provozieren”, erklärt sein damaliger Coach John Lucas. “Er will nur auffallen.”
Dass Rodman im konservativen Texas nicht zurechtkommt, ist absehbar. Überraschend ist, dass ihn die glorreichen Bulls 1995 unter Vertrag nehmen. Und damit für einen Höhepunkt der Rodman-Hysterie sorgen. Denn an der Seite von “Superman” Jordan bekommt “Badman” Rodman noch mehr Aufmerksamkeit Und der Forward suhlt sich in den
unzähligen Schlagzeilen, die in der ganzen Welt über ihn verbreitet werden: seine Ausraster gegenüber Schiedsrichtern, seine Spontan-Hochzeit mit Nacktmodel Carmen Electra, seine Anfeindungen gegen Liga-Boss David Stern, sein Tritt in den Unterleib eines Kameramanns, Besuche in Schwulenclubs, sein Kino-Film “Double Team” oder sein Auftritt im Hochzeitskleid bei der Veröffentlichung seiner Biographie. Der Bad Boy sorgt ständig für Wirbel. Und was am meisten verwundert: auch auf dem Parkett.Mit gnadenloser Defense und unzähligen Rebounds ist er ein wichtiger Bestandteil der “Unbeatebulls”, die sich zwischen 1996 und 1998 drei Titel in Folge sichern. Rodman genießt den Erfolg, das Geld und den Ruhm. Und verliert dabei jeden Bezug zur Realität. “Ich hasse Geld, also bin ich nach Las Vegas gefahren, um es los zu werden”, ist einer seiner Sprüche. “Ich bin ein einziges lebendes Spektakel, und wo ich bin, ist Erfolg”, ein anderer. Nur: Nach dem Ende der Super-Bulls 1998 ist es mit dem Erfolg endgültig vorbei. Noch zwei Mal versucht er, in der NBA Fuß zu fassen, doch seine Engagements bei den Mavericks und Lakers scheitern nach wenigen Spielen, ein PR-trächtiger Einsatz in der englischen Liga 2006 ist schließlich sein letzter Auftritt als Basketball-Profi.
Und doch: Auch heute, zehn Jahre nach den letzten großen Erfolgen, ist der Name Rodman immer noch ein Begriff. Kein Wunder bei so vielen Rebounds und Skandalen. Verdient hat er sich die Aufmerksamkeit allemal.
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